Montag, 27. Oktober 2008

Warum? Warum hat er mich verlassen? Meine Version oder seine Version?
Zuerst seine, die ist nämlich einfach: Ich bin schuld und zwar nur ich. Ich habe mich nicht so verändert wie er es wollte, schon seit Jahren wollte. Ich bin fett und faul und habe mir auf seine Kosten ein schönes Leben gemacht. (Das kommt einigen Lesern sicher bekannt vor, so eine Frau kennt jeder oder meint sie zu kennen.) Seit vielen Jahren war er todunglücklich und ist nur aus Pflichtgefühl bei uns geblieben. Wenn alle Leute wüssten, wie er gelitten hat all die Jahre, würde niemand denken, dass es daran liegt, dass er eine andere Frau kennengelernt hat, denn die hat ihn nur abgeholt.
Meine Version: Wir kennen uns seit wir neunzehn sind und ich war seine erste Frau. Wir hatten ganz sicher auch unsere Krisen, eine sehr große zwischen 2000 und 2002, in deren Verlauf wir beide an Trennung dachten.
In den letzten beiden Jahren gab es einige dramatische Veränderungen in seinem und damit auch unserem Leben, erst Arbeitsplatzverlust und dann Krankheit. Ich gebe zu, als er seinen Arbeitsplatz verlor, war ich ihm keine große Unterstützung, ich hatte zu große Angst, mein Sicherheitsbedürfnis war zu hoch. Deshalb nahm er den sicheren Arbeitsplatz, den er angeboten bekam und nicht den riskanten, den er vielleicht lieber gemacht hätte. Allerdings hatte er auch von einem Freund, den er sehr schätzt, den Rat bekommen, den sicheren Arbeitsplatz anzunehmen. Ich glaube nicht, dass er es allein auf meinen Wunsch hin gemacht hätte. Er liebte seinen alten Job in seiner alten Firma, hatte viel Einfluss dort und seine Mitarbeiter beteten ihn an. Er mußte gehen, weil er einem anderen im Weg war, nicht weil er seine Arbeit schlecht oder einen Fehler gemacht hätte. Es war ein großer Schock für ihn. In der neuen Firma lebte er sich schnell ein und mittlerweile ist er dort genauso beliebt wie in der alten, in der er immer noch vermisst wird. Dann der zweite Schock: Die Probezeit war noch nicht vorbei als bei ihm Arteriosklerose festgestellt wurde in beiden Beinen, man sagt auch Raucherbein dazu... Verursacht durch Übergewicht, mangelnde Bewegung und natürlich das Rauchen, dazu noch Bluthochdruck. Er mußte operiert werden, bekam einen Stent ins rechte Bein, ich hatte wieder Angst, diesmal um ihn. Danach änderten wir die Ernährungsgewohnheiten, er ging zur Kur, fing dort an zu Walken und nahm ab. Das Rauchen versuchte er sich abzugewöhnen, hat es aber bis heute nicht geschafft, darauf komme ich aber nochmal zu sprechen. Plötzlich merkte er, dass auch sein Leben endlich ist und er nicht von Schicksalsschlägen verschont würde. Also schlich sich unbemerkt die Midlife-Crisis in sein Leben... Plötzlich sollte auch ich abnehmen, war ihm zu dick, ich sollte wieder arbeiten gehen oder wenigstens ein Ehrenamt übernehmen und ich sollte ordentlicher werden (seine Unordentlichkeit war nie Thema...) Also fing ich an, auszusortieren, Kartons zu packen, ich ging auch walken, meldete mich im Fitnessstudio an, nahm ab, aber dann auch wieder zu. Er fing mit der nächsten Rauchentwöhnung an, diesmal mit psychologischer Begleitung. Sein Psychologe nannte ihn einen Grenzgänger, Rauchen wäre für ihn das Überschreiten einer Grenze, wenn er diese Grenze nicht mehr überschreiten würde, dann würde er sich die nächste Grenze suchen. Seine nächste Grenze war die neue Frau... Die Arbeit fing an, ihn zu langweilen, er suchte eine neue Herausforderung. Er wollte und will ein neues Leben, nochmal neu anfangen ohne Altlasten. Was ich und unsere Tochter wollen ist ohne Bedeutung... Er raucht übrigens wieder seine zwei Schachteln am Tag, da die Situation nicht unbedingt das Aufhören erleichtert.

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